Vom unmenschlichen Umgang mit Asylsuchenden

Am frühen Morgen des 28.Dezember 2012 wurde das Refugee Camp im Wiener Votivpark mit dem Einsatz zahlreicher Polizisten und mit Hilfe eines Baggers, der fremdes Hab und Gut zerquetschte, auf einen LKW lud und dieser es abtransportierte, geräumt. Diese Räumung ist ein Tiefpunkt in der österreichischen Flüchtlingspolitik. Rund 40 Flüchtlinge haben in der Votivkirche Zuflucht gesucht und sind seit Tagen im Hungerstreik. Die Innenministerin und Regierungsmitglieder sind nicht bereit, mit den Flüchtlingen direkt das Gespräch aufzunehmen, obwohl sie von der Caritas und anderen kirchlichen und Asyl-Organisationen dazu aufgefordert werden.

Nach dem Marsch vom Flüchtlingslager Traiskirchen nach Wien am 24.11. hatte ich gehofft, dass nun eine Wende in der Flüchtlingspolitik in Österreich eintreten könnte, dass die Öffentlichkeit darauf aufmerksam werden könnte, wie unerträglich die österreichische Flüchtlingspolitik geworden ist. Ich bin beim Marsch vom Asylgerichtshof an mitgegangen und war beeindruckt, dass die Flüchtlinge diesen Weg von rund 35 Kilometern Länge zu Fuß gegangen sind, und wie begeistert sie von den wartenden Unterstützerinnen und Unterstützern vor dem Asylgerichtshof in der Favoritenstraße und dann teilweise von Bewohnern entlang des Weges Richtung Zentrum begrüßt wurden. Ich habe die Marschierenden beobachtet und mir gedacht, dass einige von ihnen ein Potential des Durchhaltens, des sich begeistern Lassens, des sich organisieren Könnens mitbringen, das eine Bereicherung für unsere Gesellschaft wäre. Ich hielt es für gut, dass sie sich nun selbst Gehör verschaffen, dass sie aus ihren Lagern sozusagen ins Zentrum des Landes gekommen waren, um ihre Situation in diesem Lande zu verbessern.

Zunehmende Verschlechterung
Seit Jahren und Jahrzehnten schon werden die Gesetzen für Flüchtlinge, Asylsuchende und Zuwanderer in Österreich immer mehr verschlechtert. Schon die Häufigkeit, mit der diese Gesetze seit mehr als zehn Jahren geändert werden, lässt auf die Willkür schließen, die damit einhergeht. Denn würde man ein gerechtes und praktikables Gesetz schaffen, müsste man es nicht dauernd ändern. Mehr und mehr wurden Schikanen in die Gesetze und ihre Durchsetzung eingebaut, um Menschen, die nach Österreich kommen, um hier Zuflucht zu suchen und/oder hier leben und arbeiten wollen, davon abzuhalten oder ihnen zumindest unmissverständlich klar zu machen, dass sie unerwünscht sind und bitte wieder dorthin zurückkehren sollen, wo sie hergekommen sind.

Menschen, die in ihren Heimat- oder Herkunftsländern verfolgt und bedroht wurden oder dort keine Lebensgrundlage mehr hatten, wurden auf der Saualm und in anderen abgelegenen und von geldgierigen "Wirten" geführten, abgewirtschafteten Unterkünften eingesperrt und daran gehindert, für sich selbst zu sorgen, Kontakte zu Freunden, Verwandten und Bekannten zu pflegen, ihre Kultur fortzuführen, über ihre Ernährung selbst zu entscheiden, sich zu bilden, zu arbeiten und andere Dinge zu tun, die Menschen normalerweise tun und brauchen. Dinge, die für fast alle in Österreich lebende Menschen selbstverständlich sind, wie eine saubere Unterkunft, frei gewählte Kleidung, ausreichendes und gesundes Essen, Zugang zum Internet für Information und Kommunikation, Kultur, Bildung, Sport, Beschäftigung,  Bewegungsfreiheit und die Freiheit, sich den Wohnort auszusuchen, wurde diesen Menschen, die ohnehin zumeist Schlimmes erlebt haben, verwehrt. Sie wurden, ohne sie nach ihren Wünschen zu fragen, irgendwo hingeschickt, möglichst weit weg aufs Land, wo einerseits die Informations- und Beschäftigungsmöglichkeiten fehlten und andererseits die örtliche Bevölkerung überfordert wurde, sie wurden in Lager gesteckt und gezwungen, dort monate-, ja jahrelang auszuharren. Die Asylverfahren haben meist viel zu lange gedauert oder wurden in Eile abgehandelt, sodass komplexe Fälle vielleicht nicht ausreichend geprüft werden konnten. Menschen, die vor Folter und Tod unter schwierigsten Umständen geflohen waren, wurde vorgeworfen, dass sie keine ausreichenden Dokumente und Beweismittel vorlegen konnten. Abgewiesene Flüchtlinge, die womöglich aufgrund früherer Ereignisse in ihrem Herkunftsländern oder den Umständen der Flucht traumatisiert waren, wurden am frühen Morgen von der Polizei abgeholt, in Gefängnisse gesteckt und unter Anwendung von Gewalt oder zumindest gegen ihren Willen und immer öfter auch gegen den Willen der örtlichen Bevölkerung abgeschoben – wiederholt auch in Länder, in denen sie ihres Lebens nicht sicher waren oder keine Lebensgrundlage hatten. Freunde und Familien wurden auseinandergerissen oder daran gehindert, zueinander zu kommen. Menschen, die jahrelang auf ihre Verfahren gewartet haben, wurden in "Betreuung" gehalten, durften aber selbst nicht arbeiten, nicht sich selbst versorgen, nicht einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen, nicht sich beweisen, nicht sich entwickeln und für sich und die Gesellschaft nützlich sein.
Österreich ist ein reiches Land, wir haben genug Arbeit, wir haben Bedarf nach tatkräftigen, mutigen, initiativen, gut ausgebildeten und lernwilligen Menschen. Wir brauchen angeblich Steuerzahler und Menschen, die unsere Pensionen zahlen, wir brauchen Nachwuchs, wir brauchen Innovationen. Warum wollen wir all das nur von "echten" Österreichern? Österreich, was ist das überhaupt? Ein Land, das einmal groß war und aus lauter "Fremden" bestanden hat, das viele Sprachen gesprochen hat, viele Religionen gekannt hat, viele Kulturen erlebt hat. Natürlich gab es auch früher schon Konflikte darüber, aber wir sollten weiter gekommen sein, entwickelter sein, menschlicher sein, zivilisierter sein, als vor Hunderten von Jahren.
Man könnte Menschen, die hier Zuflucht suchen oder hier leben wollen, als Bereicherung sehen. Ich habe beim Flüchtlingsmarsch am 24.November Flüchtlinge beobachtet, die ich sofort in meine Firma aufnehmen würde, wenn ich eine hätte und das tun dürfte.
Diese Menschen sind stellvertretenden für viele andere im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straßen gegangen. Sie sind 35 Kilometer weit marschiert und haben sich trotz Kälte und Dreck im Flüchtlingscamp im Votivpark niedergelassen, um auf die Situation der Flüchtlinge in Österreich und in ganz Europa aufmerksam zu machen. Nebenan stand absurderweise der vorweihnachtliche Punsch-Container der Zeitung "Heute", wo sich die "Anständigen" das Hirn vernebelten.
Auch in Berlin und in anderen Städten wird gegen die europäische Flüchtlingspolitik campiert und demonstriert, denn diese Politik ist längst schon unerträglich geworden. Die ganze Idee, dass ein Flüchtling dort bleiben muss, wo er das erste Mal EU-Boden betritt, ist absurd. So werden stets die Grenzländer belastet und die Flüchtlinge gezwungen, in einem Land zu bleiben, in dem sie vielleicht niemanden kennen, die Sprache nicht verstehen und gar nicht leben wollen. Denn es war stets so, dass Flüchtlinge dorthin gehen wollen, wo sie ein Netzwerk haben und die Sprache sprechen (das war schon in früheren Auswanderungswellen so, z.B. jener aus Europa in die USA oder von Afrika nach Frankreich und England usw.). Jedenfalls wäre es wesentlich sinnvoller, Flüchtlinge nicht als Bedrohung für die Festung Europa zu betrachten, sondern als Bereicherung. Klar muss man irgendwelche Regelungen für Zuwanderung haben, aber erstens gibt es klare Regeln für Flüchtlinge und zweitens müssen derartige Regelungen mit den Menschenrechten konform gehen und dürfen Menschen aus anderen Ländern (vielleicht ärmeren oder nicht-demokratischen) nicht als Menschen fünfter Klasse behandeln. Die EU sollte eine sinnvolle Regelung einführen, die gleiche Möglichkeiten schafft und die Kosten gleichmäßig verteilt. Und sie darf nicht zusehen, wie Flüchtlinge z.B. in Griechenland fast wie in Konzentrationslagern gehalten werden oder gar unter den Augen von Frontex im Meer ersaufen, ohne dass ihnen geholfen wird.
Um zurück zu Österreich zu kommen: warum hat die österreichische Politik die Fremdengesetze (zusammenfassend gemeint) immer mehr verschärft? War man der Meinung, damit die Abwanderung der Wählerinnen und Wähler zu den Rechten zu stoppen und wollte deshalb selbst immer rechtere Politik machen? Hat man nach den Wünschen der Boulevardzeitungen gehandelt, die man fleißig mit Steuergeldern füttert? Doch warum schwenkt man dann nicht um, wenn man erkennen muss, dass "das Volk" gar nicht auf der Seite der Rechten und des Boulevards ist, sondern den Umgang mit Fremden und Asylsuchenden ablehnt und dagegen protestiert und sich für Personen und Familien einsetzt, die abgeschoben werden sollen? Warum agiert unsere Regierung seit langem so derartig an der Bevölkerung vorbei UND handelt menschenverachtend? Wie laut und mit welchen Mitteln müssen wir dagegen protestieren, bis sich das ändert?

Kategorien: 

Neuen Kommentar schreiben